1. November 2017 

 

ich zähle die regentropfen an der scheibe 

tränentropfen tanzend cheek to cheek 

flechte ich zum silberband 

für mein schwarzes haar 

eingeladen bin ich zum tanz 

am fuße des regenbogens

 

2. November

 

herbst

 

auf wiesen tau

frisch im sonnen

licht zittern

gespenstige gespinste

 

3. November

 

Verbaler Burnout

 

Still steht das Leben

wenn die Tu-Wörter

nichts tun

Verbaler Burnout!

Gehen ging gegangen

laufen lief gelaufen

rennen rannte gerannt

wohinundwiesound

ging dabei verloren

(Deshalb ruft Verbi, die Gewerkschaft

der Verben, heute zur verbalen

Entschleunigung auf!)

 

4. November 2017

 

Ein jedes Ding zu seiner Zeit

 

Unterm Dach

ein Boden dann

Wohnung Treppe

Wohnung Treppe Wohnung

Treppe Keller

Dunkelheit Moder

Gespinste (von vorgestern)

Schlösser und Riegel

Kisten und Kartons

Spielzeug Weihnachtskugeln Schlittschuhe

Bücher Bilder Vasen Gläser Krimskrams

ein jedes Ding zu seiner Zeit

 

 

5. November 2017

 

die berühmten drei worte

gefolgt von einem ja, ich will

für immer und ewig

das leben dazwischen

 

 

6. November 2017

 

Durch Stürme müsste man

tauchen wie durch hohe Wellen

einfach hindurch und dahinter

wieder auftauchen

im Sonnenschein - warum

eigentlich nicht?

 

7. November

 

zart steigt morgen aus den feldern

nebel schmückt das schwarzgeäst

die vögel schlafen noch ich aber

bin wach in meiner brust

die schatten der nacht

 

12. November

 

16:22 Abfahrt ICE nach Zürich

den Koffer gepackt

die Blumen gegossen

die Wohnung verschlossen

den Schlüssel in den Briefkasten nebenan

heute leistet sie sich ein Taxi und

einen Cappuccino im Bahnhofscafé um 16:02

noch zwanzig Minuten der Zug kommt

pünktlich den letzten Willen

auf dem Küchentisch

hinterlassen

 

13. November

 

wenn du ein blatt wärest und ich

der regen

spülte dich fort

in einer einzigen nassen umarmung

mäandernd zum meer

wo wir aufstiegen zum himmel

wenn du ein blatt wärest und ich

der regen

 

14. November

 

himmelgraue welt

das weiß einer schneeflocke

im kristall hoffnung

 

15. November

 

wo ist hin

was gestern war

so leuchtend

wo ist hin

was einmal

himmelsleitern hoch gestiegen

und hinab durch wolken

bedeckt von erde schwarz

wo ist hin

was gestern wahr

einmal war

 

 

16. November

 

Wegkreuz

 

Es ist ein Kreuz

mit dem Weg manches Mal

weiß man nicht ob rechts ob links

oder besser geradeaus

bloß kein Stillstand sagt man

sich im Zweifel

ist genau das richtig

still stehend

sich bekreuzigen

 

18. November

 

Klimawandel

 

bei unserer letzten begegnung

im eisregen und bei windstärke acht

fiel das gefühlsthermometer unter null

und raureif legte sich

auf unsere herzen

 

Prognose: Dauerfrost möglich

Tauwetter nicht in Sicht

 

20. November

 

Als erstes versagte ein Finger der rechten Hand

dann der gesamte rechte Arm

gefolgt vom linken

bewegungslos

darauf die Beine

aus allen Muskeln wich die Kraft

schlagartig

brach er zusammen stand nie wieder auf

sein Geist fortan gefangen

im eigenen Körper

locked-in forever

in einem medizinischen Hochsicherheitstrakt

sein Gehirn spricht Bände

die keiner lesen kann

 

 

21. November

 

November wohnt in meiner Seele

Gedanken haben sich entblättert

Müdigkeit umarmt die Stunden

Kerzenlicht regiert das Dunkel

 

Gedanken haben sich entblättert

Schwarz und kahl ragt das Geäst

Kerzenlicht regiert das Dunkel

Hoffnung will nicht schlafen gehen

 

Schwarz und kahl ragt das Geäst

Wie am Morgen so am Abend

Hoffnung will nicht schlafen gehen

Wartet auf das Morgenrot

 

Wie am Morgen so am Abend

Müdigkeit umarmt die Stunden

Wartet auf das Morgenrot

November wohnt in meiner Seele

 

23. November

 

hörst du wie

die sterne fallen

heute nacht oder nie

sage ich

die sterne fallen vom himmel

wie ein silberregen

und es ist zeit

den schirm zuzuklappen

und dich glücklich regnen zu lassen

von den sternen die

vom himmel fallen heute nacht

oder nie sage ich hörst du

 

24. November

 

Ein Rosakind

war sie nicht

um Gottes Willen

lieber auf die Bäume barfuß durch die Felder

rosa blass zart Puppe liebes Mädchen Augenklimpern Piepsstimme

um Gottes Willen

bloß das nicht

lieber aufgeschrammtes Knie kurze Hose Haar im Wind und

Träume im Kopf die alles waren

nur nicht rosa

um Gottes Willen

bekam ein eigenes Kind

ein kleines Mädchen süß zart

Puppe (Barbie!) Kleidchen Röckchen Söckchen

alles rosa von Kopf bis Fuß

mit Haut und Haaren

Miss Piggy

um  Gottes Willen

ein Rosakind

 

 

26. November

 

Versteck I

 

Im letzten Winkel des Gartens

sonnenstrahlenumflort bäuchlings

auf Moos und Gras liege ich

umtanzt von Worten

beflügelnden unerhörten stolpersteinigen

Worten die fange ich

um sie zu verstecken

unter Blättern und Rinden

und bei Bedarf hervor zu locken

 

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Versteck II

 

Manchmal verstecken sich die Tage vor mir

wie die Menschen

in ihren Verkleidungen und Rüstungen

hinter Dornenhecken oder wildem Wein

Designerkleidern oder Vintagefummeln

Allerweltsphrasen oder viel(nichts)sagendem Schweigen

ein jeder

in seinem Versteck seiner Festung seiner Rüstung

allein

 

27. November

 

Es war einmal

und ist nicht mehr (denkt man)

aber das ist falsch (fühlt man)

denn

was einmal wa(h)r

spurt Herz und Seele

kleine Furchen tiefe Rillen Narbenstraßen

solange man nicht gestorben ist

lebt Gestern noch im Heute

 

28. November

 

Sehnsucht

 

Sie kommt mit dem Abend

schleicht sich an in blauen Stunden

sie kommt wann sie will

und bleibt (auch ohne Einladung)

über Nacht

Sie will nicht reden

wohnt im Raum zwischen den Worten

Sie verführt durch Süße

mit Chili gewürzt

ist zart unglaublich stark

und zieht und zieht und zieht

bis du nachgibst

 

II

 

Leg noch einen Scheit ins Feuer

gieß ein wenig Öl dazu

Ich sehe was     das du nicht siehst

an dem Zucken deiner Lider

an dem Suchen deiner Hände

Ich höre was     das du nicht sagst

zwischen Zeilen ohne Worte

gieß ein wenig Öl dazu

Ich fühle was     das du nicht willst

aus Erfahrung weil es weh tut

Leg noch einen Scheit ins Feuer

gieß ein wenig Öl dazu

 

 

29. November

 

Spuren mit sich steigernder Haltbarkeitsdauer:

ein Atemhauch am Fenster; vom Wind zerzaustes Haar; ein Bild, in losen Sand gemalt; der Abdruck eines Lindenblattes auf der Kühlerhaube eines Autos; die Spur einer Schnecke auf steinigem Grund; Katzenpfoten im Schnee; ein blauer Fleck am Schienbein; das Lächeln aus meinem Herzen

 

30. November

 

eine kleine hand

passt in eine größere

eine ganze zeit lang bis

sie wächst und wächst und nicht mehr

klebrig und feucht ist

und in die größere nur noch im konjunktiv passt

real aber lieber frei schwingt oder

eine andere gleich große bei kontakt eventuell

feucht werdende hand ergreift

irgendwann viel später wenn

die größere hand noch

und die einst kleine schon lange

groß ist

schlüpft wieder eine kleine hand

in eine größere

eine ganze zeit lang

bis

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