Frau Paulchens Lyrik Monat im Mai 2014: www. paulchenbloggt.de
30 Tage, 30 Gedichte. An jedem Vortag ein Impuls für ein Gedicht am nächsten Tag.
30. Mai 2014
in diesem mai
verharrungsstarre
aus mir unbekanntem guten grund
lahmes bein und müder wille
fort!bewegung nur in versen
29. Mai 21014
ein leben lang hatte sie es schlafwandlerisch gekonnt
das mehl sieben, eine prise zucker, ein schuss
mineralwasser, manchmal ein ei, den teig anrühren,
immer mit einer gabel (wie früher) nie mit dem
schneebesen, die äpfel in feine spalten schneiden,
den teig in die gusseiserne pfanne (und nur in diese)
füllen, löffelweise, die apfelspalten vorsichtig
eindrücken in den halb flüssig halb festen teig,
im rechten moment – und hast du’s nicht gesehen! –
den pfannkuchen wenden wie Luigi die Pizza, mit zimt
und zucker bestreuen und
bis zu jenem tag, als die pfannkuchen schwarz
auf den teller kamen und fortan immer wieder misslangen
beinahe schlafwandlerisch
wir hielten es für vergesslichkeit
es war aber der anfang
vom ende
28. Mai 2014
dort, wo sich alter meeresboden sammelt
im düstren grab der meerjungfrau
taumelt an algenfäden
erinnerung
an eine andre zeit
nur manchmal
aus der tiefsten aller quellen
schuppenweise hoffnung
steigt
27. Mai 2014
ich sage es mir immer wieder
heut ist heute ist nicht gestern oder morgen
und ich kann nur das erleben
was das Heute mir erlaubt
heut ist heute ist nicht gestern oder morgen
der tag ist da und jung und frisch
was das Heute mir erlaubt
will ich schauen lieben lassen
der tag ist da und jung und frisch
von den wipfeln bis zur wurzel
will ich schauen lieben lassen
und dabei ruhen in mir selbst
von den wipfeln bis zur wurzel
ich sag es mir doch immer wieder
ruh ich dabei in mir selbst?
kann ich’s leben dieses Leben, heute, jetzt!
(Versuch zu einem Pantun http://de.wikipedia.org/wiki/Pantun)
26. Mai 2014
ent
scheidung
direkt unterm herzhaus
fallen die würfel
25. Mai 2014
Das jedenfalls ist sicher
im Leben
kommt es so
oder so oder
ganz anders vielleicht
auch nicht
ich bin
die ich bin oder
ganz anders vielleicht
auch nicht
du denkst
wie du fühlst
heute so morgen anders
vielleicht auch nicht
24. Mai 2014
F 18
blink blink blinkt
signalrot
Notruf meiner Waschmaschine
Bitte öffnen Sie!
die Klappe vor dem Sieb
und der Pumpe –
Stecker raus?! –
für die Lauge
läuft, läuft, läuft
auf die Hände und die Füße
mich auf Knien
vor F 18
wo ich schraube und entlauge
eimerweise glitschig-glibschig
bis ich finde in den Knäueln
die zwei Übeltäter-Cents
Klappe zu, Stecker rein, Trommelwirbel !!!
doppelt Glück in meiner Hand
23. Mai 2014
im sommer?
wohn ich unterm blätterdach
und ruh auf warmem moos
unter meinen lidern was
sonne mir schenkt besuch
ab und zu vom wind der
gnädig verweht was
vergessen werden muss
22. Mai 2014
Mit dem ersten Glockenschlag
erschüttert die Müllabfuhr
den frühmorgendlichen Frieden.
Reste des Lebens holterdipoltern
in die große Trommel:
vermengen vermischen tümmeln sich
machen sich gemein!
Müll kennt keine Berührungsangst.
21. Mai 2014
wir haben es nicht
gemerkt, als wir
wann? an der wegkreuzung
standen
wir haben uns nicht sofort
aus den augen gelassen, als du
nach links ich nach rechts
wohin? jeder seinen weg
verlor
zurück? nicht möglich –
nur die frage, ob
aus einander lauf ende wege
zusammenfinden
20. Mai 2014
Hoher Mittag, Siesta-Zeit
irgendwo in Mediterranien
makellose Weißheit vor unendlichem Blau
geräuschvoll
geheimnisvoll die Stille im Piniengrün
wegdämmern in die eigene Unendlichkeit
eine Hand in Reichweite
irgendwann klagt ein Esel, kräht ein Hahn,
ruft eine Möwe, oder sanfter: läuten Glöckchen
von Schaf oder Ziege
ins Leben zurück
19. Mai 2014
Nein, auf den Mond bin ich nicht gut zu sprechen!
Soll er doch vorn durch die Tür
und nicht hinten durchs Fenster kommen!
Jetzt steht er wieder voll und honigsüß da,
hängt voller Versprechen in der vollkommenen
Schwerelosigkeit. Alter Gaukler!
Sehnsuchtswecker! Kaum hast du hingesehen,
zieht er das Wolkenvisier vors Punkt, Punkt,
Komma, Strich… und schon stehst du wieder allein
in dunkler Nacht. Bei Tagesanbruch
bekommt er die Schwindsucht. Er kommt
und geht wie ein grausamer Liebhaber.
Nein, auf den Mond bin ich nicht gut zu sprechen!
18. Mai 2014
Die Brücke von Pont Neuf
an einem Sommerabend
blaugraue Dämmerung über dem mächtigen Stein,
den eisernen Kandelabern
la pluie, den ganzen Tag
la mélancolie
süß und sanft, sommergetränkt
ein Mann mit Hut sur le pont
eine Frau im Trench
Sonne schiebt plötzlich das Wolkengetürm auseinander
bringt goldenen Schimmer auf die schwarze Seine
zwei Blicke, ein Funkeln
à Paris sur le pont
kommt erst die Nacht und
dann der Morgen
17. Mai 2014
Schöne Beschäftigung:
hinaus aus dem Zimmer
am Giebel bauen und am Dach
wenn der Himmel weit ist
und der Blick hell
hinter den Zedern
im Prosahaus
wohnen
Besuch – ein und aus –
die schmalen Hände spreizen und
Möglichkeit fassen
(dies meine Umschreibung von Emily Dickinson:
Ich wohne in der Möglichkeit –
Und nicht im Prosahaus …
http://files.hanser.de/hanser/docs/20070220_272212835-59_20060805_3-446-20782-1_639.pdf,
s. Leseprobe S. 3)
16. Mai 2014
Gebrauchsanweisung:
Weint der Himmel golden,
Kind, -
halte deine Hand auf
benetze das Weh mit Engelstränen –
scheint Sonne bald wieder
15. Mai 2014
Es war bereits dunkel,
als er mit Lichtgeschwindigkeit
auf mich zu kam.
So ein Wunderzunderfunkelzauber
in diesen fremden Augen.
Herzheimat suchend.
Brandgefährlich.
(kursiv gesetzte Worte aus der „Wortweide“.)
14. Mai 2014
Stein
auf Stein
Schicht um Schicht
Tag für Tag Jahr um Jahr
Die Pyramide des Lebens wird
nach oben spitzer, berührt den Himmel
irgendwann
13. Mai 2014
zwischen dem danke
und mir
ein widerstand
unerbittlich
zu viele bitten zuletzt
eingewandert
eingenistet
metastasiert
in den letzten zellwinkeln
hockt ein kleines danke
lächelnd –
immerhin
12. Mai 2014
ich hocke in den wipfeln
im nest von blau und weiß
und schaue den regen
bogen an
dessen fuß, ja, ja
der Schatz
immerdar ist
es nicht mehr weit
heim zu mir
11. Mai 2014
Tiefe Nacht
Starres Liegen
Wer knackt da Nüsse?
Die Geister
Die ich nicht rief
Halten meinen Atem an
10. Mai 2014
Ein Weg, sieben Blicke
Er schreitet aus
Sie stolpert
Es hüpft
Wir tanzen
Ihr spaziert
Sie sind schon gegangen
Und Sie ? –
Wie gehen Sie DEN WEG?
9. Mai 2014
ein zimmer mit
aus
sicht aufs meer salz
auf meiner haut
schildkröten
heißt es, finden immer den weg,
ich aber legte den panzer ab
für das bad im meer
für mich allein –
ach, Virginia
8. Mai 2014
Cinema Paradiso
Mein Name ist Bond
sagte er
Hannes Bond
Tanzstundenliebe, die Erste
Er war groß und blond
zarter Flaum über großer
KLAPPE
Ich schau dir in die Augen, Kleines
Ich war gerührt und
durcheinander
geschüttelt
Hasta la vista Baby
Am Sonntag
Cinema Paradiso
Knieknie
Schulterschulter
HandinHand
Popcorn auf Plüschplüsch
Sessel klappbar
und Herzklopfen bis zum Mond
vom Winde verweht die Vernunft
Wir glaubten
supercalifragilisticexpialigetisch
dies sei der Beginn
einer wunderbaren Freundschaft
aber dann
Klappe! und
THE END
7. Mai 2014
heute hat das licht
die tanzschuhe aus
gezogen
(zu viel gewirbelt gestern?)
unter grauer decke
sich schlafen gelegt
nur ein zipfel
mützchen lugt
wolken
weiß
6. Mai 2014
in meinem koffer
bei geöffnetem deckel
zwei fragezeichen
5. Mai 2014
ein körnchen wahrheit
in selbstkritik gewässert
zentnerschwer die last
4. Mai 2014
eine weiße feder
leicht wie nichts
fiel aus meinem traum
und brach sich ein federbeinchen
am harten stein des morgens
ich pustete
sie zurück in den traum
auf dass sie
heile mit weile
3. Mai 2014
Auch ein stolzer Gockel, dem ein
blindes Huhn über den Weg läuft
findet mal Gefallen an diesem, wenn
ein Korn aus Gold im Schnabel steckt.
2. Mai 2014
in einer mainacht ging ich an land
und brach den flieder im kühlen schein des mondes
wirkte er ergraut und ohne kraft
eine katze miaute leise in unfreundlicher stille
fern vernahm ich das horn des schiffes
das klage spuckte in die nacht
den flieder legte ich auf die schwelle
der liebsten
die verschwunden war
meine hände blutig vom blumenraub
(„in einer mainacht ging ich an land“ -
erste zeile von tomas tranströmers gedicht „nachtbuchblatt“)